Unter dem Radar – Deep Tech und Hidden Champions

In unserem aktuellen Blog-Beitrag brechen wir diesmal eine Lanze für Innovationserfolge Made in Germany!

Anlass dafür: Unser Kollege Iwe Kardum war vor Kurzem auf dem diesjährigen Cloud Unternehmertag in Bonn unterwegs und brachte viele neue, frische Impulse und AHA-Momente mit.

Ein solches Highlight bescherte definitiv Professor Hermann Simon, der seinen klugen wie auch unterhaltsamen Vortrag mit folgender Frage eröffnete:

Ist Deutschland ein Innovationsversager?

Ganz schön provokant! Aber, wie Professor Simon so wunderbar gezeigt hat, es kommt auf den Blickwinkel an 🙂

Klar, wenn man Deutschland in Vergleich setzt zu anderen Ländern, allen voran die USA, sieht es zunächst recht mau aus. Zumindest, wenn wir uns mit den strahlenden High Tech-Giganten aus dem Silicon Valley vergleichen: Microsoft, Apple und Amazon haben ohne Zweifel die Welt erobert.

Gleiches gilt für die glitzernden Social Media Imperien: Meta (Facebook, Instagram, WhatsApp, etc.) und Twitter – hätte so etwas wohl jemals hierzulande realisiert werden können?

High Tech vs. Deep Tech

Was ist all diesen bekannten Firmen und Marken eigentlich gemein?

Nun, sie richten sich vor allem an Endverbraucher, an Konsumenten – sie bewegen sich in der Welt des B2C und High Tech.

Es ist wichtig, sich das bewusst zu machen, denn wer sich so umschaut, dem dämmert die Erkenntnis, dass B2C offenbar nicht unsere Stärke ist. Und es stimmt: Den Global Playern des Verbrauchermarktes haben wir kaum vergleichbares entgegenzusetzen.

Doch das ist eben nur die eine Seite – und auch nur die Oberfläche.

High Tech und B2C sind im Grunde wie ein schönes Korallenriff: Leuchtend bunt besticht es nicht nur mit nützlichen Funktionen, sondern auch noch mit fancy Design. B2C und High Tech zeichnen sich aus durch bekannte Marken, die praktisch jeder kennt, sie sind sichtbar.

Weit unten im Meer und fernab vom Trubel am Riff aber erwartet einen die Tiefsee, oder, um bei unserer Analogie zu bleiben, dass was Professor Simon als Deep Tech bezeichnet – und hier finden sich die Schätze und stillen Helden des B2B: Zumeist kleine und mittelständische Familienbetriebe, die sich ganz unbemerkt zu Weltmarktführern und digitalen Vorreitern entwickelt haben.

Weltweit gibt es ca. 3400 dieser „Hidden Champions“ (ein Begriff, den wir übrigens auch Hermann Simon verdanken), fast die Hälfte davon ist in Deutschland angesiedelt, und sie haben es mit Deep Tech – hochspezialisierten Technologien und Produkten – international bis an die Spitze gebracht.

Apple z.B. hat allein nur in Deutschland 767 Zulieferer – niemand kennt sie, aber mit ihrem Know-How tragen sie wesentlich zum Erfolg von Apple bei. Die KI-gestützte Spracherkennungssoftware von Siri wurde an der Technischen Universität München entwickelt – sie ist in Milliarden Smartphones implementiert.

Professor Hermann Simon Iwe Kardum

Das Erfolgsgeheimnis

Doch was genau macht einen Hidden Champion aus?

  • Ambition: Alle Hidden Champions streben danach, die Besten auf ihrem Fachgebiet zu sein – und sie sind es auch. Sie haben eine Marktnische für sich entdeckt, in der sie sich mit Produkten positionieren, die sich durch absolute Exzellenz auszeichnen. Solche Produkte sind einzigartig, und können nicht einfach nachgeahmt werden, da sie ein ganz spezielles Wissen erfordern, welches im In- und Ausland nur selten zu finden ist.
  • Fokus: Um diese Exzellenz dauerhaft gewährleisten zu können, konzentrieren Hidden Champions sich konsequent auf ihre Produkte, investieren in Forschung und Entwicklung und haben ein wachsames Auge auf Qualität und die Bedürfnisse ihrer Kunden.
  • Globalisierung: Hidden Champions haben bereits früh erkannt, wie wichtig es ist, sich in Sachen Markterschließung, Forschung und Produktion global auszurichten. Wer sich nämlich in einer Nische befindet, hat es i. d. R. eher mit einem kleinen Markt zu tun und kommt nicht sehr weit, wenn er sein Produkt z.B. nur im eigenen Land anbieten würde. Export und Erweiterung ins Ausland sind daher unerlässlich. Tatsächlich wird gerade dort oft ein signifikanter Anteil des Umsatzes erwirtschaftet.

Diese drei Eckpfeiler spiegeln sich auch in dem Konzept von Deep Tech:

  • Tiefe in der Zeit: Ein einzigartiges, konkurrenzloses Ausnahme-Produkt zaubert man nicht über Nacht aus dem Hut. Viele Jahre intensiver Forschung und der Geduld sind dazu nötig, um der Beste auf einem bestimmten Gebiet zu werden.
  • Tiefe im Wissen: Deep Tech bedeutet, einen außergewöhnlich hohen Level an Qualität, Know-How und technischer Präzision zu erreichen. Nur so ist es möglich, sich langfristig an der Spitze zu halten und zu verhindern, dass ein Produkt von der Konkurrenz kopiert werden kann.
  • Tiefe im Wertschöpfungsprozess: Hidden Champions kennen und verstehen die Bedürfnisse ihrer Kunden ganz genau und richten ihr Angebot entsprechend aus. Die Firma Winterhalter z.B. produziert Geschirrspülmaschinen ausschließlich für die Gastronomie. Zusätzlich zu den Maschinen können Kunden aber auch Reiniger, Klarspüler, etc. beziehen und selbstverständlich bei Bedarf den Kundendienst bestellen.

Deutschlands Chance liegt in den Industriemärkten, hier kann vor allem unser Mittelstand seine Stärken perfekt ausspielen und zur Geltung bringen.

Herausforderungen

Professor Simon wies allerdings auch auf die Probleme hin, die es zu meistern gilt, wenn wir unsere Position im B2B für die Zukunft sichern wollen.

Zum einen muss sich Deutschland darum kümmern, für junge Unternehmen attraktiver zu werden, denn: Wir haben zwar Gründer-Nachwuchs mit innovativen Ideen, nur lassen diese sich oft lieber von anderen Ländern abwerben, bzw. verkaufen ihr Start-Up nach kurzer Zeit an größere Konzerne im In- und Ausland.

Anstatt all das Potential und Wissen hier zu behalten, auszubauen und für uns zu nutzen, verlieren wir es an die internationale Konkurrenz – und die ist hellwach und hat uns fest im Blick.

Wichtig wäre es außerdem, Technik und Wirtschaft viel besser zu verbinden: Viele Gründer kommen aus dem technischen oder naturwissenschaftlichen Bereich, verfügen aber nicht über das wirtschaftliche Know-How, um ihre Ideen erfolgreich zu vermarkten.

Ein weiterer Punkt: In Deutschland und auch in Europa haben wir einen vergleichsweisen kleinen Kapitalmarkt, in dieser Hinsicht können wir nicht mit den USA oder China mithalten. Zum einen ist es meist schwierig, die notwendigen finanziellen Mittel zu bekommen, damit ein Betrieb von z.B. 50 Mitarbeiter:innen in ein Unternehmen mit 5000 Mitarbeiter:innen heranwachsen kann.

Zum anderen verweigern sich kleinere Betriebe auch bewusst solchen Wachstums-Dimensionen, denn damit einher geht natürlich immer auch die Abgabe von Kontrolle.

Ein besonderes Augenmerk sollten wir auf Forschung und Entwicklung legen: Hier ist uns vor allem China, unser, laut Hermann Simon, stärkster Konkurrent, um Längen voraus und investiert ein Vielfaches mehr an Kapital in die Forschung als hierzulande.

Um also auch in Zukunft relevant zu bleiben, gibt es einiges zu tun: Wir dürfen uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen, sondern müssen wachsam sein, kluge Entscheidungen treffen wohlüberlegt handeln und mutig vorangehen.

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